Wie könnten mögliche Nutzungsszenarien für die Zukunft des Kloster Dettelbach aussehen?

Während des dreitägigen Zukunftslabors entwickelten sechs Expertinnen und Experten aus den Bereichen Architektur, Denkmalschutz, Design, Hotellerie und Pflege in Zusammenarbeit mit dem ersten Bürgermeister der Stadt Dettelbach, dem stellvertretenden bischöflichen Finanzdirektor der Diözese Würzburg und zwei Vertreterinnen des Vereins Zukunft Kulturraum Kloster vom 27. bis 29. August 2021 Ideen für das seit dem Auszug der Franziskaner leer stehende Kloster Dettelbach. Die Workshopleiterin Mirine Choi griff auch hier auf Methoden des Design Thinking zurück:

  1. Kloster und Ort kennenlernen
  2. Stärken und Schwächen herausarbeiten
  3. Wissensträger und -trägerinnen und mögliche Nachnutzer befragen
  4. Probleme analysieren
  5. Konzept entwickeln
  6. Konzept präsentieren und Feedback einholen

1) Kloster und Ort kennenlernen

Nach einer ersten Kennenlernrunde brach das neu gebildete Team zu einer gemeinsamen Begehung des Kloster Dettelbach auf. Im Anschluss wurden die angrenzende Wallfahrtskirche und der historische Ortskern der Weinstadt Dettelbach erkundet. Ein Besuch des modernen Kunst- und Kulturzentrums KUK mit Stadtbibliothek, Vinothek und dem feinen Kunstmuseum Pilger & Wallfahrer inspirierte zu ersten Nutzungsideen für das Kloster.

2) Wissensträger und -trägerinnen und mögliche Nachnutzer befragen

Im Anschluss an den Rundgang wurden lokale Wissensträger und -trägerinnen zu ihren Vorstellungen zur Zukunft des Kloster Dettelbach interviewt. Barbara Dill, Leiterin des KUK, informierte über die Besucherstrukturen der Stadt und des Museums sowie über die lokale Weinkultur mit über 20 Weinbauern. Der ehemalige Oberbürgermeister Reinhold Kuhn sowie Prof. Dr. Armin Mosandl informierten die Expertinnen und Experten über die Bedeutung des Klosters für Dettelbach und die Bürgerinnen und Bürger und stellten ihre Nutzungsideen vor. Anna Haissig, die die Jugendarbeit der Stadt Dettelbach leitet, wurde dazu befragt, welche Bedürfnisse die Jugend von Dettelbach hat und was davon ggf. zukünftig im Kloster stattfinden könnte. Auch floss das Wissen des leitenden Pfarrers der Gemeinde Uwe Hartmann ein, dessen Pfarrbüro sich im Kloster befindet und der über fundierte Kenntnisse des Gebäudes verfügt.

3) Stärken und Schwächen herausarbeiten

Die Expertinnen und Experten stellten das große Potenzial der vorhandenen baulichen Substanz des Klosters und des historischen Ortskerns von Dettelbach heraus. Trotz Modernisierungsbedarf sei das Gebäude in einem guten Zustand und habe herausragende Raumqualitäten. Die angrenzenden Gärten und der Weinberg böten zusätzliche Möglichkeiten für unterschiedliche Nutzungen im Kloster. Im Ortskern selbst fiel der ein oder andere Leerstand auf und es wurde ein Mangel an zeitgemäßer Hotellerie und Gastronomie festgestellt.

4) Problemanalyse

Die Expertinnen und Experten trugen noch am ersten Abend nach den Einzelinterviews die Ergebnisse der Gespräche und Ortserkundungen zusammen und umrissen die Herausforderungen für eine zukünftige Nutzung. Die Stadt Dettelbach wünscht sich für das Kloster eine öffentliche Nutzung. Um das Kloster selbst zu erwerben, sind jedoch selbsttragende Nutzungen und ein bezahlbares Sanierungskonzept notwendig. Die Verantwortung der Diözese Würzburg für das Kloster und die künftige Nutzung wurden intensiv diskutiert.

5) Konzeptentwicklung

Der zweite Tag war für die Entwicklung von möglichen Nutzungsideen vorgesehen. In Brainstorming-Runden und Kleingruppen wurden unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten herausgearbeitet und visualisiert. Die Expertinnen und Experten waren sich einig, dass eine öffentliche Nutzung des Klosters eine große Bedeutung für die Stadt Dettelbach haben wird. Es wurde intensiv diskutiert, Ideen kamen auf und wurden wieder verworfen und letztendlich entstanden vier Nutzungskonzepte.

6) Nutzungsideen vorstellen und Feedback einholen

Am Nachmittag des dritten Tages des Zukunftslabors wurden die erarbeiteten Nutzungsszenarien in der Wallfahrtskirche dem Stadtrat und der Öffentlichkeit vorgestellt.

  1. Das kreative Rathaus
    Peter Haimerl (Architekt und Hochschulprofessor aus Linz), Christian Baumgart (ehemaliger Stadtbaurat aus Würzburg) und Judith Sandmeier (Denkmalpflegerin beim Bayerischen Landesdenkmalamt) schlagen einen kreativen Ort für die Bürger der Stadt vor, in dem Stadt nicht nur verwaltet, sondern Stadt auch gedacht wird. Hier wäre Platz für Diskussionen, Ausstellungen, Urban Gardening, Co-Working oder auch Büros und Konferenzräume für lokale Firmen.

  2. Der lebendige Kraftort
    Die Designer Nils Holger Moormann aus Aschau und Nicola Bramigk aus Berlin empfahlen eine zeitgemäße Herbergs- und Gastronomie-Nutzung, die bisher in Dettelbach fehlt. Denkbar sind eine Kooperation mit Slow-Food-Akteuren, der Anbau und die Verarbeitung von Obst und Gemüse aus dem Klostergarten, lokaler Wein und eine schlichte, aber gut gestaltete Herberge – z. B. eine moderne und bezahlbare Pilgerherberge mit Schlafsälen im ursprünglichen mittelalterlichen Stil.

  3. Gemeinschaft, Gewerbe und Wohnen
    Das dritte Konzept von Stefanie Praml und Ulrike Rose vom Verein Zukunft Kulturraum Kloster sieht eine öffentlich zugängliche Erdgeschossnutzung für örtliche Gruppen und Vereine, eine Anlaufstelle für alle Generationen, einen Platz für die Jugend, eine Pilgerherberge und einen gemeinschaftlich genutzten Garten vor. Im ersten Stock könnten Cluster-Wohnungen und Studios oder ein Boarding-Haus für ortsansässige Unternehmen – jeweils mit Co-Working-Möglichkeiten – entstehen. Der Innenhof könnte als Ort für Konzerte und Kulturveranstaltungen der Region genutzt werden.

  4. Seniorengerechtes Wohnen
    Für alle Städte sind Angebote für Seniorinnen und pflegebedürftige Bürger ein Thema. Die Stadt Dettelbach hat sich in der Vergangenheit viele Gedanken darüber gemacht, ob das Kloster sich nicht auch hierfür anbietet. Experte Prof. Dr. Alexander Schraml hat sich während des Zukunftslabors ausführlich damit beschäftigt, ob das Gebäude als Pflegeheim genutzt werden könnte. Praktische Gründe sprechen dagegen: zu viele Umbaumaßnahmen seien notwendig, um die alten Gemäuer barrierefrei zu bekommen. „Alte Architektur und Pflege passen selten zusammen“, so Schraml. Stattdessen könne er sich aber einen unmittelbar angrenzenden Neubau vorstellen, der Pflegeplätze, Tagespflege, betreutes Wohnen und vieles mehr beheimatet – und die unmittelbare Nachbarschaft zum Kloster nutzt. Seniorengerechtes bzw. Mehrgenerationen-Wohnen ist im Kloster im ersten Stock gut vorstellbar.

Nächste Schritte

Auch wenn in Zukunftslaboren frei von Auflagen kreativ gedacht werden kann, werden die nächsten Schritte zur Umsetzung stets mitberücksichtigt. Es wurden Gespräche zwischen der Diözese Würzburg und der Stadt Dettelbach für einen Probebetrieb im Kloster Dettelbach vorgeschlagen. Ein Pop-up-Café, Weinproben sowie eine Nutzung durch lokale Vereine im Erdgeschoss könnten die gut erhaltenen Räume zeitnah mit Leben füllen. Mit einem gemeinsamen Ramadama mit den Bürgerinnen und Bürgern könnten weitere Räume nutzbar gemacht werden. Über einen Konzeptaufruf der Gemeinde in unterschiedlichen Medien könnten überzeugende und finanzierbare Zwischennutzungsideen gefunden und die besten davon probeweise umgesetzt werden. Parallel wäre eine Machbarkeitsstudie auszuschreiben, die die vom Gemeinderat beschlossene favorisierte Nutzungsidee prüft und den Sanierungs- und Umbauaufwand kalkuliert. Für die Koordinierung all dieser Maßnahmen wird eine Stabsstelle bzw. eine Kümmerin oder ein Kümmerer benötigt, bei der oder dem die Fäden zusammenlaufen.

Die Reaktion des Stadtrats auf die entwickelten Ideen war sehr positiv. Die Expertinnen und Experten und die Gäste waren sich einig, dass eine öffentliche Nutzung des Klosters sehr zu empfehlen ist und das Kloster möglichst durch die Stadt Dettelbach selbst betrieben werden sollte. Dazu werden in der nächsten Zeit Gespräche geführt.

Die Initiatorinnen & Workshopleiterinnen

Ulrike Rose

Initiatorin und Projektleitung; Baukulturvermittlerin und Vorsitzende des Vereins Zukunft Kulturraum Kloster

Stefanie Praml

Unterstützung Projekt- und Workshopleitung; Redakteurin und Content Managerin beim Verein Zukunft Kulturraum Kloster

Mirine Choi

Workshopleitung; Agile Coach, berät das Bundesinnenministerium zu Digitalisierung und kollaborativem Arbeiten

Die Experten

Prof. Christian Baumgart

Stadtbaurat Würzburg a. D., unter anderem Stadtentwicklung hubland, Initiator des Museums Kulturspeicher Würzburg

Nicola Bramigk

Designerin und Workation-Expertin, Herausgeberin der Reiseplattform smart-traveling und zahlreicher Reise-Bücher

Prof. Peter Haimerl

Inhaber des Architekturbüro Peter Haimerl . Architektur,
Hochschulprofessor Kunsthochschule Linz

Nils Holger Moormann

Artdirektor, Gründer des Möbelunternehmens Moormann in Aschau und des Gästehauses berge, Gewinner zahlreicher Designpreise und Mitwirkender in internationalen Jurys

Judith Sandmeier

Referentin des Bayerischen Landesdenkmalamts für Oberpfalz und Mittelfranken, Stv. Referatsleiterin Bürgerbeteiligung und städtebauliches Erbe

Prof. Alexander Schraml

Vorstand Kommunalunternehmen des Landkreises Würzburg, Experte für altersgerechtes Wohnen

Vertreter Gemeinde & Diözese Würzburg

Bgm. Matthias Bielek

Erster Bürgermeister der Stadt Dettelbach, seit 2020 im Amt

Andreas Hammer

Stv. Bischöflicher Finanzdirektor der Diözese Würzburg (Eigentümerin des Kloster Dettelbach)