Auf der Terrasse des Klostercafés in Volkenroda treffen wir auf Kristina Lohe, die seit gut einem Jahr Vorständin des gemeinnützigen Vereins ist, der die Geschicke des Klosters lenkt. Studiert hat sie Kunstgeschichte, Pädagogik und Philosophie. Mit ihren Gaben und Talenten fühlt sie sich im Kloster genau am richtigen Platz. Kristina Lohe sprüht vor Freude und Elan, als sie uns bei einem Cappuccino begeistert von ihren Tätigkeiten, aber auch den Herausforderungen erzählt, vor denen das Kloster in Zukunft steht.

Kristina Lohe
Kristina Lohe brennt für die Projekte im Kloster Volkenroda.

Nehmen Sie uns doch kurz mit: Wie lange sind Sie schon im Kloster Volkenroda und was sind Ihre Aufgaben?

Vor sechs Jahren war ich als Gast das erste Mal hier – im Kloster auf Zeit. Noch nichts ahnend, dass ich bald darauf hier arbeiten sollte. Vor vier Jahren habe ich hier eine Stelle im Bereich Öffentlichkeitsarbeit übernommen und seit 2020 bin ich angestellte Vorständin des gemeinnützigen Vereins Jesus-Bruderschaft Kloster Volkenroda. Diesen Karriereweg hätte ich mir bei meinem ersten Besuch nicht träumen lassen. Aber Gott schreibt auch auf krummen Wegen gerade.

Auf der Kloster-Homepage haben wir gesehen, dass es auch eine Stiftung Kloster Volkenroda gibt. Welche Aufgaben hat die Stiftung und für was ist der Verein zuständig?

Die Basis ist die Kommunität der Jesus-Bruderschaft mit derzeit zwölf Mitgliedern. Sie ist zuständig für Gottesdienste und Gebet. Die kleine Anzahl der Brüder, Schwestern und Familien kann jedoch nicht alle unsere Angebote wie Gästehaus, Schulbauernhof, Erwachsenenbildung und Kultur organisieren. Aus diesem Grund wurde der Verein gegründet, der rund 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt und das Tagesgeschäft regelt. Der Verein wird von einem zweiköpfigen Vorstand geführt – Bruder Helmut vonseiten der Bruderschaft und von mir als angestellte Vorständin.

Zusätzlich gibt es die Stiftung Kloster Volkenroda, die für die Gebäude und Liegenschaften zuständig ist und mit der wir als Verein eng zusammenarbeiten. Hier ist ein ehrenamtlicher Vorstand in der Verantwortung. Es ist eine sehr kleine Stiftung, die keine Angestellten hat, und deren Hauptaufgabe die Verwaltung der Immobilien ist.

Zusammen kommen Verein und Stiftung im sogenannten Klosterrat, der wie ein Aufsichtsrat fungiert. Die zwölf Personen im Klosterrat setzen sich aus drei Stiftungsräten, einigen Kommunitäts- und Vereinsmitgliedern sowie weiteren, dem Kloster eng verbundenen Menschen zusammen. Das sind erfolgreiche Personen aus Wirtschaft, Kultur, Politik und Medien, die sich ehrenamtlich für die Sache hier engagieren, weil sie unser Anliegen toll finden. Hervorragend ist zudem, dass sie uns kritische Fragen stellen und mit einem wohlwollenden Blick von außen beraten.

Zweimal im Jahr tauschen wir uns für einige Stunden aus und berichten, was inhaltlich geplant ist, und legen unser Budget vor. Auch wie viele Stellen wir ausschreiben, wird in diesem Gremium abgestimmt. Der Klosterrat ist das höchste beschlussfassende Gremium, das auch den Vorstand einstellt. Ich finde diese Zusammenarbeit sehr bereichernd und kann das anderen Organisationen nur empfehlen.

Schulbauernhof
Der Schulbauernhof ist eines der Projekte des Kloster Volkenroda.

Nach welchen Kriterien suchen Sie diese externen Mitglieder des Klosterrats aus?

Wir schauen erst mal, wer gut in die Gruppe passen könnte. Welche Disziplin, welcher Hintergrund könnte für uns hilfreich sein? Dann sprechen wir die einzelnen Personen an, sie stellen sich in der Kommunität vor und wenn deren Rückmeldung positiv ist, bewerben sie sich offiziell bei uns. Beim letzten Mal hatte ich das Gefühl, dass wir auf jeden Fall die Unterstützung einer Frau brauchen können. Glücklicherweise sind wir bei Dreharbeiten mit der NDR-Kulturchefin in Kontakt gekommen und konnten sie dann für eine Zusammenarbeit gewinnen. Außerdem war uns wichtig, dass wir noch jemanden aus dem Ort Volkenroda im Klosterrat haben. Wir haben dann bei dem Sohn eines Kommunitätsmitgliedes angeklopft und sind auch hier zusammengekommen.

Wer trifft denn die Entscheidungen – Verein, Stiftung, Klosterrat oder Kommunität?

Der Vereinsvorstand entscheidet im Tagesgeschäft und legt dem Klosterrat zweimal im Jahr einen Bericht über die Geschehnisse im Kloster vor. Die großen, strategischen Linien werden im Klosterrat beschlossen und die konkrete Umsetzung liegt dann beim Vorstand. Der Klosterrat entscheidet beispielsweise aufgrund der Satzung, dass der Bereich Jugend einer unserer Schwerpunkte ist. Was dann konkret geschieht, ob wir uns auf Schulklassen oder eigene Veranstaltungen konzentrieren, liegt in der Verantwortung des (erweiterten) Vorstands. Bisher geschieht alles im Dialog und wir kommen gemeinsam zu guten Entscheidungen.

Wie werden Sie von den Bewohnerinnen und Bewohnern Volkenrodas wahrgenommen und was bedeutet das Kloster Volkenroda für die Region – spirituell und allgemein?

Zu Ihrer ersten Frage: Die Reaktionen sind gemischt. Es gibt viele, die ganz toll finden, was wir machen, aber auch welche, die uns komisch finden. Gerade in der Anfangszeit hatte die Kommunität schon mit Gerüchten zu kämpfen. Manch einer hielt die Jesus-Bruderschaft für eine Sekte. Natürlich ist die Region nicht sehr religiös sozialisiert und dann kam die Jesus-Bruderschaft auch noch aus dem Westen und hat viel Geld investiert. Das war anfangs sicher nicht leicht. Fundierte Kritik gab es meines Wissens allerdings nicht, eher Vorbehalte.

Wir möchten gerne einen guten Kontakt zum Ort pflegen und schaffen das beispielsweise durch unseren Tier- und Bauernmarkt, der seit 18 Jahren einmal im Monat stattfindet. Da kommen schon mal 2.000 Händlerinnen und Besucher. Wir nutzen diese Plattform auch, damit die Menschen niederschwellig mit dem Glauben und Gott in Berührung kommen können. So bekommen alle am Eingang einen Bibelvers in die Hand gedrückt und es haben sich dadurch schon viele seelsorgerliche Gespräche ergeben. Manche rufen sogar an und sagen: Bitte betet für mich, ich bin krank und brauche eure Hilfe.

Natürlich kann ich die Bedenken der Dorfbevölkerung in manchen Punkten verstehen. Wenn bei Großereignissen alle Wiesen zugeparkt werden und jedes Jahr Zehntausende Gäste kommen, die das Landleben turbulenter machen, ist es sicher nicht immer einfach.

Wir versuchen, durch ausgewiesene Parkflächen mitzuhelfen. Außerdem bieten wir das Kloster nicht mehr für größere Hochzeitsfeierlichkeiten an, da das eine zu hohe Lärmbelastung für den Ort mit sich bringt. Auch Festivals mit vielen Teilnehmenden haben wir auf zweimal im Jahr reduziert.

Gibt es einen institutionalisierten Austausch mit dem Dorf?

Wir haben gute Kontakte zum Bürgermeister, Gemeinderat und zu den umliegenden Kirchengemeinden. Auf dieser Ebene sind wir gut vernetzt. Was die Dorfbevölkerung angeht, gilt auf jeden Fall der Spruch „die Tür steht offen, das Herz noch mehr“ der Zisterzienser auch bei uns. Wir planen gerade, unsere internen Coronatests auch für die Dorfbevölkerung zu öffnen. Diese kleinen Gesten der Nachbarschaftshilfe versuchen wir in unseren Alltag zu integrieren. Außerdem können Einheimische günstig Veranstaltungsräume mieten. Einige Kommunitätsmitglieder leben direkt in Volkenroda und haben sehr gute Kontakte.

Wie schätzen Sie die Bedeutung Ihres Projektes für die Region, den ländlichen Raum ein?

Ich glaube schon, dass wir ein Highlight sind, auch für die Tourismusbranche. Vor Kurzem war ich in der nächstgrößeren Stadt bei einem Amtsbesuch und auf den Bildschirmen im Wartebereich wurde für das Kloster Volkenroda Werbung gemacht.

Wie ist Ihre Zusammenarbeit mit der evangelischen Landeskirche und bekommen Sie hier finanzielle Unterstützung?

Ich finde unsere Verbindung genau richtig. Die Stelle unseres Pfarrers wird beispielsweise zu 75 Prozent von der Kirche mitfinanziert, aber gleichzeitig sind wir nicht finanziell von der Kirche abhängig. Wir bekommen zwar für bestimmte Bereiche wie Kinder- und Jugendarbeit Zuschüsse, aber keinen regelmäßigen festen Betrag. Die finanzielle Unabhängigkeit schafft für uns die Handlungsfreiheit und Agilität, die wir für unsere Programme brauchen.

Bauwagen
Beim Kloster auf Zeit können sich die Interessierten für einige Zeit in einen Bauwagen einmieten.

Wie planen Sie inhaltlich die Programme oder anders gesagt, wie merken Sie, was gerade auch in der Gesellschaft gefragt ist?

Natürlich suchen wir im Gebet nach Antworten. Zusätzlich legen wir Wert darauf, dass wir viel nach außen schauen. Es gibt nichts Schlimmeres, als nur im eigenen Saft zu schmoren. Da gilt unser neues Motto Begegnung belebt. So holen wir uns regelmäßig Feedback von unseren Gästen und Freunden und hören genau hin, was sie brauchen und nach was sie sich sehnen.

Was bei uns dazu kommt: Uns beschäftigt im Verein der Generationenwechsel und in verschiedenen Bereichen des Klosters sind wir dabei, die nächste Generation einzuführen. Die letzten Jahrzehnte waren tief geprägt vom Wiederaufbau des Klosters. Jetzt ist es an der Zeit, dass wir uns inhaltlich weiterentwickeln. Im vergangenen Jahr haben wir deswegen das neue Motto Begegnung belebt gefunden und noch mal überprüft, ob wir unser breites Angebot weiterführen möchten. Die Antwort war ganz klar: Ja, das möchten wir! Wir haben ein so großzügiges Gelände, das für viele unterschiedliche Aktivitäten Platz bietet. So veranstalten wir Jugendcamps mit 800 Personen, Leute kommen für die Gospel-Workshops oder suchen im Kloster auf Zeit Ruhe und Zurückgezogenheit. So schaffen wir einen Ort, an dem die unterschiedlichsten Menschen zusammenkommen, gemeinsam essen und Gottesdienst feiern. Diese Zusammenführung sehe ich als große Stärke an.

Gruppe vor Pavillon
Der Slogan „Begegnung belebt“ trägt das Kloster.

Sie sprachen gerade den Generationenwechsel an. Gibt es im Kloster Volkenroda genügend Nachwuchs?

Für einige Bereiche kann ich das bejahen, wie im Vorstand und im Kloster auf Zeit. In der Kommunität ist die Lage ein wenig anders. Hier versuchen wir gerade, entgegenzuwirken, denn auch bei uns werden die Mitglieder der Kommunität immer älter.

Die Jesus-Bruderschaft ist die geistliche Basis des Kloster Volkenroda, deswegen haben wir ein neues Programm ins Leben gerufen, das sich Ledige auf Zeit nennt. Für ein Jahr lang können Menschen ausprobieren, ob sie sich ein Leben in der Kommunität vorstellen könnten. Wir wagen dieses Experiment, weil wir glauben, dass wir neue Möglichkeiten des Ordenslebens finden müssen. Das Gute ist, dass wir nicht – wie in der katholischen Kirche – an den klassischen Weg gebunden sind, wie man Ordensschwester oder -bruder wird. Hier ist die Jesus-Bruderschaft frei, neue Wege zu suchen und auszuprobieren.

Wir sind hier sehr fortschrittlich, denn bei uns leben schon lange Familien und zölibatäre Schwestern und Brüder gemeinsam an einem Ort. Alle sind aber für ihren eigenen Lebensunterhalt zuständig. Dennoch steht die Kommunität, wie auch andere Ordensgemeinschaften, vor einer Transformation. Für mich steht außer Frage, dass dieser Ort als Basis eine geistliche Gemeinschaft braucht und ich hoffe, dass die Jesus-Bruderschaft das Kloster noch lange prägen wird.

Hier in Volkenroda ist die Nachnutzung eines Baudenkmals bestens gelungen. Was ist Ihr Tipp für Nachnutzer eines Klosters?

Ich würde sagen, falls es noch geht und die Ordensgemeinschaft noch da ist: Kommen Sie ins Gespräch miteinander und stellen Sie als Nachnutzer gute Fragen. Was bedeutet dieser Ort hier für euch? Was ist das elementar Wichtige, das auch in 100 Jahren noch existieren soll? Je klarer formuliert, desto besser!