Die Sicherung des Sendungsauftrags
Wie ist es möglich, dass eine Ordensgemeinschaft mit rund 190 Schwestern, deren Altersdurchschnitt bei über 80 Jahren liegt, scheinbar mühelos das Kloster und den Auftrag des Ordens in die Zukunft geführt hat? Die Antwort darauf bekommen wir, wenn wir ein paar Jahre zurückgehen, zu einem Provinzkapitel, das in der Rückschau ein besonderes ist:
Alle sechs Jahre treffen sich 37 gewählte Schwestern zu Rückblick, Ausblick und einer Standortbestimmung. Bei der Versammlung im Jahr 2013 steht die Liedzeile „Ziehe Kraft aus deinen Wurzeln, finde Halt im Grund, der trägt, schau zurück auf deinen Ursprung, doch nach vorne geht der Weg“ als Thema im Mittelpunkt. Dazu kommt die große Frage, wohin Gott die Gemeinschaft führen will. Jedes Provinzkapitel ist ein geistlicher Prozess, der geprägt ist von Gebet, Schweigezeiten und dem Hören auf Gottes Wort.
Schwester Benedicta-Maria, die damalige Provinzleitung, sagt über diese Tage im Jahr 2013: „Nach der Betrachtung der Bibelstelle aus der Offenbarung ‚Seht, ich mache alles neu!‘ – spürten wir trotz unseres Älter- und Weniger-Werdens die Kraft des Aufbruches und entschlossen uns, unsere Vision ins Wort zu bringen. Eine Vision 2020, in der es darum gehen sollte, dass der Grundauftrag unserer Gemeinschaft und unsere Werte auch in Zukunft verstanden und gelebt werden.“
Die Ordensgemeinschaft holt sich für die weitere Entwicklung der Vision Rat von außen. Sie entscheidet sich für einen von Fachleuten begleiteten spirituellen Organisationsentwicklungsprozess für das gesamte Kloster. Frau Elsbeth Caspar (Momentos) und Herr Andreas Käter (LNE GmbH) übernehmen als externes Tandem dafür die Leitung. Von Anfang an sind alle Führungs- und Leitungskräfte sowie die rund 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den verschiedenen Werken eng in den Prozess eingebunden. Das Kloster Hegne soll gemeinsam zu einem spirituell geprägten Ort weiterentwickelt und zukunftsorientiert gestaltet werden.
Der Organisationsentwicklungsprozess
Für den Organisationsentwicklungsprozess wird das Bild zweier Bethlehem-Sterne mit Schweif wichtig werden. Der eine Stern steht für die Schwesternschaft, die weiter als lebendige geistliche Gemeinschaft leben will. Der andere Stern symbolisiert die Mitarbeiterschaft, für die das Kloster ein sinnerfüllter und attraktiver Arbeitsplatz bleiben soll. Beide Sterne stehen für die Vision, dass an diesem Ort weiter die Menschenfreundlichkeit Gottes erfahrbar ist, und dass das Kloster ein Ort der Menschwerdung für alle ist, die den Ort mitgestalten.
In einem ersten Schritt des Prozesses steht die Erstellung des sogenannten Hegne WerteKompass für Führung und Teamarbeit im Mittelpunkt. Der WerteKompass ist ein gemeinsam in aktueller Sprache formuliertes Werteverständnis auf Grundlage des Evangeliums, der franziskanischen Spiritualität und der Botschaft der Ordensgründer.
Unterstützt von dem externen Tandem entwickeln Schwestern der Provinzleitung und Führungskräfte vier Werte, die für Hegne wesentlich sind: Miteinander – Verantwortung – Offenheit – Vertrauen. Die damalige Provinzoberin Schwester Benedicta-Maria ist überzeugt: „Diese Haltungen sind wie ein Kompass richtungsweisend – nicht nur für unsere Zukunft, sondern für eine menschenfreundliche Zukunft in Kirche und Welt. Und sie sind wie eine Kurzfassung der Haltungen und Werte, die unsere Ordensgründer P. Theodosius Florentini und Maria Theresia Scherer gelebt haben.“
Im zweiten Schritt des Organisationsentwicklungsprozesses werden vier Projektgruppen gegründet, jeweils bestehend aus Schwestern und Mitarbeitenden. Viele Treffen tragen zum gegenseitigen Verstehen bei und weiten den Blick auf beiden Seiten. Klare und vernetzte Führungs- und Kommunikationsstrukturen sollen geschaffen werden. So können die zwei Leitsätze des WerteKompass weiter konkretisiert werden:
- Durch Freude und klare Kommunikation Gemeinschaft stärken.
- Spirituell fundiert, fachlich kompetent und wirtschaftlich gesichert Zukunft gestalten.
Die Ergebnisse der Projektgruppen werden von einem Steuerkreis aufgegriffen und führen zu weiteren Schritten. Es entstehen inhaltlich neue Konzepte und bauliche Weiterentwicklungen wie ein Umbau im Hotel St. Elisabeth. Schließlich wird klar, dass auch strukturell neu gedacht und die betriebswirtschaftliche Eigenständigkeit der Häuser und Werke sichergestellt werden muss. Verschiedene Möglichkeiten wie eine Vereins- oder Stiftungsgründung werden mit allen Vor- und Nachteilen abgewogen und die Wahl fällt auf eine kirchliche Stiftung bürgerlichen Rechts.
Eine Stiftung wird geboren
Schwester Benedicta-Maria spricht hier von einem fast heiligen Moment in einer Klausur des Steuerkreises im Jahr 2015, als die Mitglieder im Blick auf die Gründung einer Stiftung eine tiefe Klarheit und Freude empfinden: „Wir entschieden uns gemeinsam mit unseren Führungskräften für diese neue Rechtsform und Struktur für unsere Werke, um das Kloster Hegne als spirituell geprägten Ort zu erhalten und unseren Auftrag, orientiert am Bedürfnis der Zeit, auch in Zukunft erfüllen zu können.“
Die Stiftung Kloster Hegne wird von der Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz von Ingenbohl in Hegne als Stifterin errichtet. Im Stiftungszweck sind die Aufträge des Ordens wie Bildung, Erziehung, Altenpflege, Beherbergung und seelsorgerische Tätigkeiten festgeschrieben, und diese werden von der Stiftung fortgeführt.
Die Leitung übernehmen der Vorstand (ein oder zwei Personen) und der Stiftungsrat (drei bis sieben Personen) für jeweils fünf Jahre. Momentan besteht der Vorstand aus der ehemaligen Provinzoberin Schwester Benedicta-Maria und dem Verwaltungsdirektor Thomas Scherrieb. Im Stiftungsrat sind drei Schwestern, u. a. Provinzoberin Schwester Maria-Paola, und zwei externe Stiftungsräte (Bürgermeister a. D., Sparkassendirektor i. R.).
Das in die Stiftung eingebrachte Kapital setzt sich aus einem Grundstock, der nicht angegriffen werden darf, und dem Verbrauchskapital zusammen.
Am 8. Mai 2018, dem Festtag der seligen Schwester Ulrika Nisch, wird die Gründungsurkunde der Stiftung unterschrieben und mit einem Stiftungsakt in einer Eucharistiefeier errichtet. Mit einem Fest für alle Beteiligten wird der Abschluss des Organisationsentwicklungsprozesses mit der Stiftungsgründung in Freude und Dankbarkeit gefeiert.
Mittlerweile sind das Marianum (als gGmbH) und das Hotel St. Elisabeth (als ProGast-Betriebs-GmbH) in die Stiftung eingegangen. Die Theodosius Akademie wurde 2020 direkt in der Stiftung Kloster Hegne gegründet. Die betriebswirtschaftliche Übergabe der anderen Betriebe wird schrittweise stattfinden. Grund und Boden sowie die Gebäude sind noch im Besitz der Ordensgemeinschaft (Körperschaft öffentlichen Rechts). Hier steht in den nächsten Jahren ein weiterer Übergabeprozess an.
Es ist 135 Jahre her, dass Schwester Maria Theresia Scherer mit dem Zug an Hegne vorbeigefahren ist. Was würde sie heute, beim Anblick des Kloster Hegne, unvermittelt ausrufen? Vielleicht: „Seht, ich mache alles neu“ – die Bibelstelle des Provinzkapitels 2013. Oder: „Mit Mut und Gottvertrauen vorwärts!“