Schwester Maria Paola, Provinzoberin, führt uns von der Klosterpforte an den alten landwirtschaftlichen Stallungen vorbei zum Verwaltungsgebäude des Kloster Hegne. Kurz vorher bleiben wir an einem in die Jahre gekommenen Anbau stehen. „Das ist schon wieder ein nächstes Bauprojekt von uns, aber zum Glück liebe ich bauen“, erklärt Schwester Maria Paola.
Ist diese Gemeinsamkeit, die sie mit Ihrem Verwaltungsdirektor Thomas Scherrieb teilt, das Erfolgsrezept für die erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden? Thomas Scherrieb ist sowohl Verwaltungsdirektor des Kloster Hegne als auch Vorstand der Stiftung und seit 20 Jahren für den Orden tätig. Er hat die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft des Klosters maßgeblich mit gestellt. Kaum vorstellbar, dass er in eineinhalb Jahren in Ruhestand geht. Im Interview lässt er uns mit Begeisterung an der Stiftungsgründung und seiner Verwaltungstätigkeit teilnehmen.
In die Stiftung Kloster Hegne sind bisher das Marianum mit den sieben Schulen und das Hotel als Betriebs-GmbH eingestiftet. Was können wir uns darunter vorstellen?
Da die Grundstücke noch dem Kloster gehören, genauer gesagt der Körperschaft öffentlichen Rechts, haben wir es so geregelt: Wir haben das Marianum in eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) umgewandelt. Diese gGmbH ist die Betriebs-GmbH, die alle laufenden Geschäfte regelt. Sie hat mit dem Kloster einen Pachtvertrag für die Schulgebäude. Hier werden über die Pacht auch die Instandhaltungen abgedeckt. Genauso läuft es mit der Betriebs-GmbH für das Hotel, die einen Pachtvertrag mit dem Kloster für unser Hotelgebäude Sankt Elisabeth hat. Hier haben wir eine Umsatzpacht vereinbart.
Was wichtig ist: Die Gebäude gehören nicht der Stiftung Kloster Hegne, darum werden die Pachtverträge mit dem Kloster Hegne als Körperschaft öffentlichen Rechts geschlossen. Hintergrund ist die Alimentierung und Altersvorsorge unserer alten Ordensschwestern. So halten wir das auch mit dem Baugebiet, das wir nun neu für unsere Mitarbeiterschaft zur Verfügung stellen. Hier können Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu einem günstigen Erbpachtzins bauen. Auch dieser Erbpachtvertrag läuft mit dem Kloster und dient ebenso zur Absicherung der Schwestern.
Zusammengefasst heißt das: Die einzelnen GmbHs sind in die Stiftung eingestiftet, mit allen Rechten und Pflichten aus Betriebs- und Stammkapital. Genau vertraglich geregelt ist, was der Pächter und was der Verpächter zahlen muss. Eine Ausnahme ist bisher die Theodosius Akademie, die direkt in der Stiftung gegründet ist und nicht als Betriebs-GmbH läuft.
Wann sollen Grund und Boden sowie die Gebäude eingestiftet werden?
Das machen wir erst, wenn keine Schwestern mehr da sind. Hier haben wir uns noch keinen Zeitplan gesetzt, auch wenn das Durchschnittsalter der Schwestern schon jetzt bei über 80 Jahren liegt. Das wird sich in einem nächsten Transformationsschritt entwickeln. Ich werde diesen jedoch nicht mehr mitgestalten, da ich in eineinhalb Jahren in den Ruhestand gehe.
Jetzt stellt sich uns natürlich die Frage, warum Sie diese bedeutende Umstrukturierung erst später behandeln. Wäre es nicht von Vorteil, die Schwestern schon jetzt von der großen Aufgabe des Gebäudemanagements zu entlasten?
Da muss ich weiter ausholen. Ich war vorher bei einer sehr großen Stiftung, die in erster Linie für Menschen mit Behinderung arbeitet. Dort war der Grundsatz, der übrigens auch für die katholische Kirche gilt: Wir verkaufen nichts, wir geben alles in Erbpacht weiter. So soll das Erbe für die zukünftigen Generationen bewahrt werden.
Außerdem generieren die Schwestern durch die Verpachtung laufend monatliche Einnahmen, die ihrer Altersvorsorge dienen. Auch ist es der Ordensgemeinschaft wichtig, dass sie momentan noch im Besitz der Gebäude ist und so die Nutzung besser steuern kann. Außerdem macht Schwester Maria Paola und mir das Bauen und Umbauen große Freude. Es ist einfach eine Form der nachhaltigen Kapitalanlage, und bisher ging es immer gut.
Soweit wir wissen, könnten Sie doch im Erbpachtvertrag dahingehend eine Zweckbindung vereinbaren, dass das Gebäude nur zu Bildungszwecken verwendet werden darf. Zusätzlich dazu würden über den Erbpachtzins Einnahmen generiert? Das kam nicht infrage für Sie?
Die Schwestern sind ja dadurch schon sehr entlastet, dass die Betriebe wirtschaftlich eigenständig für sich stehen und gesichert sind. Aber grundsätzlich klingt die Variante mit der Zweckbindung interessant. In diesem Thema sind wir noch nicht so erfahren, werden es aber für den nächsten Transformationsprozess im Hinterkopf haben. Bisher vergeben wir nur an fremde Dritte Erbpachtverträge.
Unsere Theodosius Akademie stellt die Stiftung vor größere Herausforderungen. Mit schwarzen Zahlen werden wir in diesem Bereich nicht rechnen können. Die entscheidende Frage ist, inwieweit sich die Stiftung das mit ihrem Verbrauchskapital und Einnahmen auf Dauer leisten kann? Vor dieser Herausforderung stehen wir gerade.
Dabei hilft uns auch das Hotel. Überschüssige Einnahmen können zurück in die Stiftung fließen und somit der Akademie zugutekommen. So ist das Hotel Sankt Elisabeth bewusst als GmbH aufgestellt und damit auch verpflichtet, Gewinne zu machen. Da sind wir bisher trotz Corona sehr zufrieden. Dadurch können wir an anderer Stelle unseren Sendungsauftrag erfüllen, beispielsweise den Auftrag der Bildung. Bei unseren Betrieben geht es um betriebswirtschaftliche Dinge, bei denen ganz klar Kosten und Nutzen abgewogen werden. Natürlich darf man nicht nur auf die nackten Zahlen schauen. Im Hotel wohnen noch sechs Schwestern, eine Vermietung der Zimmer an Gäste wäre sicherlich lukrativer. Aber uns ist wichtiger, dass die Schwestern vor Ort sind und den Ort durch ihr Charisma mitprägen.
Mit welchen Partnern haben Sie das Konzept der Stiftungsgründung und Einstiftung von Betrieben entwickelt?
Die Firma Lernen neu erleben hat uns im Bereich Kommunikation und Entwicklung des WerteKompass unterstützt. Die Idee der Stiftungsgründung hat sich aus vielen Gesprächen mit der Provinzleitung, unserem Wirtschaftsprüfer Solidaris und mir als Verwaltungsdirektor entwickelt. Die Deutsche Stiftungsakademie hat uns ebenfalls unterstützt. Im Grunde hatte ich seit vielen Jahren eine Stiftung im Kopf. Unser Organisationsentwicklungsprozess hat von 2013 bis 2018 gedauert. Im Kloster braucht es oft lange, bis Entscheidungen getroffen werden, weil weit in die Tiefe gedacht wird. Wenn die Entscheidung gefallen ist, wird das Projekt aber auch durchgetragen.
Sie sprechen den WerteKompass an. Wie stellen Sie sicher, dass die Werte, die den Schwestern wichtig waren, auch noch hier gelebt werden, selbst wenn die Ordensgemeinschaft nicht mehr da sein wird?
Wir alle – vor allem aber die Führungspersonen – sind gefragt, die Werte im alltäglichen Arbeitsleben weiterzugeben. Wir schulen unsere Mitarbeiterschaft in regelmäßigen Trainings hinsichtlich des WerteKompass. Außerdem haben wir noch ein Leitbild, das sich mehr auf Religion und Glauben stützt. Das müssen wir noch in eine heute verständliche Sprache bringen, damit wir möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter inhaltlich mitnehmen können. Nichtsdestotrotz wird es eine große Herausforderung werden.
Wie finden Sie geeignete Mitarbeiter, um Kloster Hegne als geprägten Ort zu erhalten?
Das ist eine gute Frage. Meiner Meinung nach kann ich in einer oder zwei Stunden Vorstellungsgespräch zwar einen Eindruck von der Person gewinnen, aber besser lerne ich sie erst in der Probezeit kennen. Für mich ist es wichtig, die Mitarbeitenden gleich ab dem ersten Tag mit in die Verantwortung zu nehmen. Sollte es mit der Zusammenarbeit nicht passen, wünsche ich mir den Mut, dass wir das ehrlich kommunizieren. Ich kann von meiner Seite sagen, dass ich noch nie so viel gelobt wurde wie hier in Hegne. Dennoch gehört konstruktive Kritik dazu, um sich weiterentwickeln zu können. Alle vier Wochen spreche ich deswegen mit unserer Mitarbeitervertretung. Wichtig ist auch, dass wir ein zuverlässiger Arbeitgeber sind, der pünktlich zahlt. Da fällt mir noch ein anderes Beispiel ein: Im Hotel beschäftigen wir keine Saisonkräfte, sondern vergeben Verträge über das ganze Jahr.
Glauben Sie, dass Sie in Zukunft noch weiter in der Mitarbeiterzahl wachsen werden?
Grundsätzlich sind wir mit rund 300 Mitarbeitern gut aufgestellt. Ich denke, dass wir im Bereich der Pflege, auch der älteren Schwestern, weiter aufstocken werden. In der Hauswirtschaft werden wir auch noch wachsen. Wir hätten auch die Möglichkeit, das Hotel zu erweitern, dann brauchen wir dafür ein größeres Team. Mehr als 340 Angestellte werden es aber nicht werden, denke ich.
Welche weiteren Betriebe sollen noch eingestiftet werden?
Wir wollten unser Altenpflegeheim Maria Hilf schon längst eingestiftet haben. Hier stehen wir momentan leider nicht so gut da. Daher hat der Stiftungsrat entschieden, zu warten, bis die Zahlen wieder in Ordnung sind. Heute war beispielsweise Pflegesatzverhandlung. Wir sind nun am Zug, die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass wir das Pflegeheim guten Gewissens einstiften können. Hier ist die schwarze Null unser Ziel.
Was noch nicht entschieden ist: Was passiert mit der Verwaltung und den Regiebetrieben wie Hauswirtschaft, Klosterküche, Technische Betriebe und Wäscherei? Eine Frage wird sein, ob wir eine Wäscherei brauchen, wenn die Schwestern nicht mehr da sind. Kommerzielle Wäschereien sind nicht in der Lage, die Schwesterntracht gut und pflegend zu waschen. Das ist der einzige Grund, warum unsere Wäscherei noch als Regiebetrieb existiert. Diese Besonderheit leisten wir uns momentan, weil die Ordenstracht ja auch was ganz Besonderes ist. Sie sehen, dass wir noch viele Fragen klären dürfen!
Was würde passieren – was wir natürlich nicht hoffen –, wenn sich die Stiftung in der Zukunft nicht mehr tragen kann?
In unserem Fall würde dann alles, was wir aufgebaut haben (einschließlich Grund und Boden), nach Ingenbohl gehen, also an unser Schweizer Mutterhaus.
Wenn Sie auf den Prozess der Stiftungsgründung zurückblicken: Sind Sie zufrieden?
Ja, auf jeden Fall! Es hätte vielleicht ein bisschen schneller gehen können! Aber ich bin sehr zufrieden und kann diese Möglichkeit der Transformation nur jeder Ordensgemeinschaft weiterempfehlen. Ich bin ja schon seit 20 Jahren Verwaltungsdirektor und nun auch Stiftungsvorstand. Wenn ich in Ruhestand gehe, werden die beiden Posten sicher getrennt vergeben werden. Da bin ich gespannt, welche jungen Kräfte nachkommen werden. Sicher ist, dass ich mich raushalten werde! Aber ich weiß, dass wir in den letzten Jahrzehnten gut gewirtschaftet haben und sehr gut aufgestellt sind. Das Kloster Hegne als geprägten Ort zu erhalten, das ist mein und unser übergeordnetes Ziel. Zu sehen, dass diese Vision Realität geworden ist, freut mich sehr!