Schlehdorfs Bürgermeister Stefan Jocher ist in seiner vierten Amtszeit. Wir sind im Cohaus Kloster Schlehdorf zum Interview verabredet. Diese Woche ist er bereits zum zweiten Mal hier oben, denn in Corona-Zeiten finden die Gemeinderatssitzungen im großen Festsaal des Gebäudes statt. Bürgermeister Jocher kann vom kleinen Hügel, auf dem das Kloster steht, auf sein Rathaus und auf Schlehdorf blicken. Als Gemeindeoberhaupt hat er in diesem Ort in den letzten Jahren viel erlebt. Die Transformation des 300 Jahre alten Denkmals gehört natürlich dazu. Ein – auch noch in 100 Jahren – sinnvoll genutztes Kloster ist sein Wunsch. Wir sprechen mit ihm aber erst einmal über die letzten drei Jahre und darüber, wie er als Bürgermeister die Entwicklung des Klosters in ein Cohaus begleitet hat.

Portrait Stefan Jocher
Der Bürgermeister Stefan Jocher in der Seestraße in Schlehdorf

Wie haben Sie reagiert, als Sie erfahren haben, dass die Missions-Dominikanerinnen das Kloster verkaufen wollen?

Das war ein längerer Prozess, der schon bis 2012 zurückgeht. Schwester Francesca Hannen, Provinzialin der Missions-Dominikanerinnen, war damals bei uns im Gemeinderat und hat die wirtschaftliche Situation des Klosters dargestellt. Ihre Bitte war, dass wir als Gemeinde eine Fläche, die schon in Ordensbesitz war, als Baugrund ausweisen. Dort wollten sich die Schwestern ein neues Kloster und ein altersgerechtes Zuhause bauen. Für die Gemeinde war das eine glückliche Situation. Wir konnten den Schwestern einen Bebauungsplan für ihr damals noch landwirtschaftliches Grundstück genehmigen. Dadurch konnten die Schwestern –was ihr und unser Wunsch war – in Schlehdorf bleiben. Zum anderen haben wir im Gegenzug fünf Grundstücke von der Ordensgemeinschaft erworben, auf denen sich jetzt einheimische Familien angesiedelt haben. Für uns war das alles in allem eine sehr gute Lösung.

Was bedeutet das Kloster Schlehdorf für den Ort Schlehdorf?

Das sehe ich von zwei Seiten. Das Kloster ist natürlich das prägende Gebäude im Ort. Das Kloster ist sozusagen Schlehdorf. Die Missions-Dominikanerinnen sind ein fester Bestandteil der Ortsgemeinschaft. So gab es immer Berührungspunkte zwischen Ort und Kloster, hauptsächlich in der Landwirtschaft oder bei der Realschule. Zu den verantwortlichen Personen im Kloster gab es aber weniger Kontakt. Wobei sich das in den letzten Jahren geändert hat.

Gab es auch die Überlegung, dass die Gemeinde das Kloster selbst erwirbt?

Diese Überlegung gab es zuerst nicht. Uns war klar, dass das Kloster einiges kosten wird, und was macht eine kleine Gemeinde mit so einem großen Gebäude? In einer größeren Stadt wäre das vielleicht denkbar. Das kam erst zur Sprache, als wir bei unserem Grundstück, auf dem inzwischen das neue Seniorenheim steht, große Probleme mit dem Bodendenkmalschutz hatten. Da war aufgrund der historischen Funde des Gründungsklosters eine Zeit lang offen, ob wir dort überhaupt bauen können. Daraufhin haben wir das bestehende Kloster dahingehend geprüft, ob es sich als Altenheim eignen würde. Wir haben einen Historiker beauftragt, der die alten Pläne durchforstet hat, und haben das Gebäude mit einem potenziellen Träger inspiziert. Grundsätzlich wäre es möglich gewesen. Letztlich ist es daran gescheitert, dass die Zimmer wenig behindertengerecht und die Gänge für die tägliche Arbeit des Pflegepersonals zu lang sind.

Nachdem sich diese Option zerschlagen hatte: Welche Ansprüche hatten Sie als Gemeinde an den Käufer?

Uns war sehr wichtig, dass im Kloster auf keinen Fall exklusive Eigentumswohnungen gebaut werden, die dann meistbietend verkauft werden. In einem Nachbarort ist das mit einem ehemaligen Schloss passiert. Das wollten wir für unseren Ort so nicht haben. Wir sind daraufhin tätig geworden und haben die Bauleitplanung so festgesetzt, dass das Kloster nur zu bestimmten Zwecken umgenutzt werden darf (zum Beispiel für kulturelle und bildende Zwecke oder Gemeinschaftswohnen). Es waren ja unglaublich viele Kaufinteressierte da und wir waren in engem Dialog mit Schwester Francesca und dem Immobilienmakler des Ordens. Leider hat eine mögliche Nutzung als Pflegefachschule nicht geklappt. Aber dafür kam dann die Wogeno eG als Käufer ins Spiel. Damit waren wir als Gemeinde sehr zufrieden.

War Ihnen als Gemeinde wichtig, dass das katholische Erbe im Kloster für den Ort erhalten bleibt? Wie hat die Ortsbevölkerung auf den Kauf durch die Wogeno eG reagiert?

Zu Ihrer ersten Frage: Unsere Gemeinde ist da sehr offen und aufgeschlossen. Das war nie ein Thema. Wir haben ja weiterhin die katholische Kirche und Pfarrei im Ort. Zum Thema Kauf durch die Wogeno eG: Im Ort gab es keinerlei kritische Stimmen gegen die neue Nutzung. Ich habe eher eine Neugier bei den Menschen im Ort wahrgenommen, die sich dafür interessieren, was da jetzt im Kloster passiert.

Welche positiven Synergien erwarten Sie sich hinsichtlich der Transformation für den Ort?

Ich wünsche mir, dass die sogenannte Maibaumwiese – ein Grundstück, das unterhalb des Klosters liegt – auch für die Schlehdorfer Bevölkerung zur Verfügung steht. Hier möchten wir gemeinsam mit dem neuen Besitzer eine Art Dorfplatz realisieren. Ursprünglich war angedacht, dass wir die Wiese kaufen können, aber die Wogeno eG braucht das Grundstück noch als Plan B für eventuelle Parkplätze. Bei so großen Wohn- und Gewerbeprojekten gibt es einen gesetzlich vorgeschriebenen Parkplatzschlüssel. Ich bin guter Dinge, dass wir auf der Maibaumwiese einen öffentlichen Dorfplatz gestalten, auf dem kleinere und größere Veranstaltungen, wie etwa ein Christkindlmarkt, stattfinden. Das Klosterareal mit der Pfarrkirche Sankt Tertulin soll dem Ort weiterhin für kirchliche Feiertage und Feste zur Verfügung stehen. Da haben wir mit der Genossenschaft einen guten Konsens.

Kloster Schlehdorf Maibaumwiese
Für die Maibaumwiese im Herzen des Dorfes haben Bürgermeister Jocher und die Wogeno eG gemeinsame Pläne.

Haben Sie einen Tipp für andere Gemeinden, die vor der Transformation ihres Klosters stehen?

Auf keinen Fall sollten Sie einem Immobilienhai das Kloster überlassen, der dann dort exklusive Eigentumswohnungen baut. Empfehlungen zu geben, finde ich schwierig, da es auf die einzelnen Gegebenheiten vor Ort und im Kloster ankommt. Denken Sie nur an das *Prälatentreppenhaus** und die Herausforderungen damit. Bewahren Sie sich eine Offenheit für viele mögliche Nachnutzungen. Für uns ist das Konzept Gemeinschaftswohnen und Arbeiten unter einem Dach, wie es die Wogeno eG praktiziert, vollkommen in Ordnung. Kommen Sie einem potenziellen Käufer entgegen! Wir konnten unterstützen, indem wir den Stellplatzschlüssel für die Parkplätze vor dem Kloster reduziert haben. Das war möglich, weil für ein Wohncluster wie im Cohaus nicht wie üblich fünf Stellplätze benötigt werden, sondern nur zwei. Das Landratsamt hat als Genehmigungsbehörde mitgezogen. Das sind kleine Kniffe, durch die man als Gemeinde dem Nachnutzer entgegenkommen kann.

*Anmerkung: Das Prälatentreppenhaus zieht sich mitten durch das Kloster und ist momentan noch im Besitz des Freistaats Bayern. Die Wogeno eG ist seit zwei Jahren in Kaufverhandlungen. Dadurch verzögert sich die Erteilung der Nutzungsgenehmigung für das Cohaus Kloster Schlehdorf.

Was wäre Ihr Wunsch für die 50 Hektar landwirtschaftliche Flächen, die sich rund um das Kloster befinden?

Leider werden wir uns diese Flächen als Gemeinde nicht leisten können und ich bezweifle, dass ein Landwirt aus unserem Ort das finanzieren kann. Ich hoffe, dass die KlosterGut eG die 50 Hektar weiter bewirtschaftet und dass sie ihre anderen Projekte wie den Wohnungsbau vorantreibt. Das halte ich für eine gute Idee!

Kloster Schlehdorf Fenster
Blick aus dem Kloster auf die KlosterGut eG und ihre landwirtschaftlichen Flächen

Wir haben von Peter Schmidt gehört, dass sehr viele Gespräche mit unterschiedlichen Institutionen stattfinden müssen, um eine Umnutzung durchführen zu können. Wie können Sie hier als Gemeinde vermitteln bzw. wie konnten Sie das in der Vergangenheit tun?

Am Anfang des Kaufprozesses waren Vertreterinnen des Ordens, der Wogeno eG und ich beim Landrat, um die Nutzungsgenehmigung voranzutreiben. Hier wären pragmatische Wege und weniger Bürokratie eine Erleichterung. Ich finde aber, dass alles auf einem guten Weg ist. Wir unterstützen natürlich als Gemeinde die Belange des Nachnutzers. So setze ich mich auch weiter beim Kultusministerium ein, dass das Prälatentreppenhaus endlich an die Wogeno eG verkauft wird. Dieser Verkauf war ja schon fast in trockenen Tüchern, bis die Pfarrei eigene Ansprüche angemeldet hat. Wir als Gemeinde haben weniger mit den verschiedenen Beteiligten gesprochen, aber wir sind im ständigen Austausch mit der Wogeno eG. Wenn wir unterstützen können, tun wir das natürlich gern.

Wo sehen Sie das Kloster Schlehdorf und den Klosterort in 100 Jahren?

Das Kloster soll auch noch in 100 Jahren vernünftig bewohnt und genutzt werden. Der Ort Schlehdorf wird weiterwachsen, da der Zuwanderungsdruck aus München enorm ist. Es gibt leider momentan wenig Baugrundstücke und wenn, dann nur zu horrenden Preisen. Wir versuchen hier, durch das sogenannte Einheimischenmodell entgegenzuwirken. Wir möchten vor allem den schon ansässigen Familien eine bezahlbare Perspektive im Ort bieten. Ein weiterhin gut und sinnvoll genutztes Kloster und viel Raum für die Menschen im Ort: Das ist mein Wunsch für die nächsten 100 Jahre!