Joe Christen ist seit dem Jahr 2018 Landwirtschafts- und Umweltdirektor der Regierung des Kantons Nidwalden. Davor war er zwölf Jahre Finanzchef der Gemeinde Stans. Seine Familie ist seit vielen Generationen in der Innerschweiz ansässig und er selbst ist Schweizer durch und durch. Als Regierungsmitglied, aber vor allem auch als Stanser Bürger, ist er interessiert, welche neuen Wege im Kapuzinerkloster Stans und im CULINARIUM ALPINUM begangen werden. Er hat uns auch an den gescheiterten Ideen für die Nachnutzung des Klosters teilhaben lassen und die Lerneffekte daraus mit uns geteilt.
Sie sind in Stans geboren und leben schon immer hier. Nehmen Sie uns gerne mit auf eine kleine Reise durch die Geschichte des Ortes.
Stans ist zum einen, was den Verkehr betrifft, ein Kreuzungspunkt innerhalb des Kantons Nidwalden. Unser Ort liegt direkt außerdem an der Achse Hamburg–Sizilien und ein großer Teil des Südverkehrs läuft bei uns vorbei. Auch aus kirchlicher Sicht ist Stans wichtig, denn hier hat sich die Bevölkerung getroffen. Dazu hat beigetragen, dass hier schon immer ein Markt stattfand, da unser Ort schon früh das Marktrecht hatte. Außerdem ist Stans, was die Bildung betrifft, Dreh-und-Angelpunkt des Kantons. Wir haben zwar nur 9.000 Einwohner, aber vor Ort haben wir viele Schularten (Gymnasium, Berufsschule). Zusätzlich haben wir den sehr bekannten Flugzeugbauer Pilatus Aircraft AG vor Ort, der einer der größten Arbeitgeber der Region ist.
Was interessant ist als Hintergrundwissen für das CULINARIUM ALPINUM: Viele Nidwaldner waren früher sogenannte Reisläufer, die sich als Soldaten für fremde Mächte verdingten. Von dieser Arbeit brachten sie natürlich nicht nur Geld mit zurück, sondern auch die Sprache oder kulinarische Köstlichkeiten wie den Rotwein. Viele Bauern zogen später auch mit ihrem Vieh über die Alpen, um die Tiere und auch landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Käse in den südlichen Ländern zu verkaufen.
Das ist ein spannender Übergang zum CULINARIUM ALPINUM und seiner Bedeutung für Stans und die Region.
Wir Stanser sind unheimlich stolz, dass das Kompetenzzentrum für Kulinarik im Alpenraum hier beheimatet ist und dass der Kanton dieses Projekt gewählt hat. Die weitere Zielsetzung, ein kulinarisches Zentrum für die ganzen Alpen von Slowenien bis Frankreich aufzubauen, liegt nun bei den Verantwortlichen des CULINARIUM ALPINUM.
Wie konnten und können Sie das in Ihrer Funktion als Gemeinde- und Regierungsrat unterstützen?
Als Gemeinde Stans werden wir zwar um unsere Meinung gebeten, wenn neue Ideen und Pläne für das Kloster vorliegen. Die Entscheidungshoheit liegt aber beim Kanton Nidwalden. Hier sind die Aufgaben zwischen Gemeinde und Kanton klar geregelt. Ein Glücksgriff war, dass die gemeinnützige Stiftung KEDA diese gute Idee eines kulinarischen Kompetenzzentrums hatte. Auch vorher hatte es schon einige Pläne gegeben, die leider aber an verschiedenen Dingen gescheitert sind.
Lassen Sie uns gern teilhaben, warum manches nicht funktioniert hat.
Ein Projekttitel in der ersten Vergaberunde war: die Akademie der Weisen. Die Idee war, dass pensionierte Manager und Akademiker ihr Wissen der jüngeren Generation zur Verfügung stellen. Außerdem sollte das Gästehaus von benachteiligten Menschen geführt werden. Das war eine wunderbare Idee, die aber aus finanziellen Gründen schon am Anfang gescheitert ist. Um ein Haus in dieser Größe betreiben zu können, braucht es einfach genügend Geld, das erwirtschaftet wird. Nur guter Wille reicht leider nicht aus. Eine andere Firma, die in der Krebsforschung tätig ist, hat das Baurecht des Klosters erworben, um hier weitere Forschungsarbeit zu betreiben. Aber schon kurz nach Beginn des Vertrags hat der Kanton Nidwalden das Baurecht zurückgekauft, da sich auch dieses Projekt nicht tragen konnte.
Wie war dann die Reaktion, als die Idee des CULINARIUM ALPINUM aufkam?
Am Anfang konnten sich viele Menschen nicht viel darunter vorstellen und wir Schweizer sind neuen Dingen gegenüber oft skeptisch. Erschwerend kam hinzu, dass der Ideengeber Dominik Flammer kein Nidwaldner und kein Innerschweizer war. Da war am Anfang schon Aufklärungsarbeit bei der Bevölkerung nötig, aber durch die weitere Auseinandersetzung wurde vielen klar, dass dieses Konzept großes Potenzial hat. Geholfen hat sicher auch, dass der Gastronom des CULINARIUM ALPINUM, Peter Durrer, sehr bekannt ist und aus der Region kommt. Er hat dem Projekt zusammen mit dem Präsidenten der Stiftung den nötigen Aufwind gegeben.
Was ist für Sie das Besondere am CULINARIUM ALPINUM?
Ein Arbeitsbereich meines Departements ist die Landwirtschaft und es ist beeindruckend, zu sehen, was der Boden und die Gegend hergeben, wenn man sich auf das Ursprüngliche zurückbesinnt. Warum in die Ferne schweifen! Es muss nicht immer Pizza, Kebap oder Thaicurry sein. In Nidwalden und der Region gibt es wunderbare Produkte und fantastische Produzenten, die im CULINARIUM ALPINUM ohne Zwischenhändler sogar noch den kürzesten Weg zum Konsumenten haben. Besonders daran finde ich, dass die Zutaten neu interpretiert werden und nicht dasselbe, das die Bauern damals gegessen haben, auf die Teller kommt. Peter Durrer und sein Team kreieren nachhaltiges und intelligentes Essen. In der Konsequenz der Umsetzung ist mir in der Schweiz nichts Vergleichbares bekannt. Ich sehe es zudem als Chance, sich auf seine regionalen Wurzeln zurückzubesinnen. So wird nur eine kleine Palette an Produkten verwendet, die nicht aus dem Alpenraum kommen, wie Kaffee, Schokolade und Pfeffer. Im Birchermüsli gibt es also keine Bananen. Diese Konsequenz ist enorm wichtig, damit das Konzept authentisch bleibt und nicht nach und nach verwässert. Das ist Vom Hof auf den Tisch, wie man es sich vorstellt.
Wir gehen ein paar Jahre zurück, als die Kapuziner das Kloster noch betrieben haben. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit?
Das Kloster, außer der Kirche natürlich, war für Außenstehende geschlossen. Wir Nidwaldnerinnen und Nidwaldner haben die Kapuzinermönche jedoch schon gut gekannt und vor allem im Ort häufig getroffen. Das Kollegium (Gymnasium) Sankt Fidelis war ja auch weit über die Region bekannt und hat einen sehr guten Ruf genossen. Natürlich ist man als Gemeinde und Kanton stolz darauf.
Wie sehen Sie die architektonische Weiterentwicklung des Klosters?
Ich sehe es als hohe Schule an, wie die Neuausrichtung durch die Stiftung und Bauherrschaft hier umgesetzt wurde. So viel Historisches zu bewahren, wie nur möglich, und doch feine Eingriffe zu machen, ist hier hervorragend gelungen. Wenn man sich durch das Gebäude bewegt, kann man noch den alten Geist spüren und man sieht, dass es dennoch einen Schritt weiter geht. Ich freue mich, dass der Investor das so mutig angegangen ist und wir als Kanton unseren Beitrag dazu leisten können.
Was erwarten Sie sich noch vom CULINARIUM ALPINUM?
Ich spreche jetzt für den Kanton Nidwalden und da sehe ich großes Potenzial in Bezug auf den Tourismus. Das CULINARIUM ALPINUM wird weit über die Region ausstrahlen und viele Menschen anziehen. Nidwalden wird ein Stück weit mit nach Hause genommen. Da erhoffen wir positive Synergieeffekte. Unser Leitsatz im Kanton lautet Zwischen Tradition und Innovation. Wir kennen unsere Wurzeln, wissen aber auch, dass das nicht reicht und wir uns weiterentwickeln wollen. Somit passt dieser Leitsatz perfekt zum CULINARIUM ALPINUM.